1. Das Problem des Biofilms als strukturelle Schwachstelle und Keimreservoir:
◦ Der Biofilm ist eine physikalische Schwachstelle des Versorgungssystems.
◦ Er dient als Keimreservoir oder die Keimquelle, die Keime wie Pseudomonas aeruginosa schützen und persistieren lässt.
◦ Seine Existenz signalisiert ein systemisches Restrisiko und zeigt, dass das eigentlich geforderte Vorsorgeprinzip – Gefahren von vornherein zu vermeiden – nicht funktioniert hat.
2. Das Problem der Bekämpfung (Maskierung):
◦ Die Krisenbewältigungsmaßnahme der Chlorung wird als Ultima-Ratio-Maßnahme eingesetzt, um die akute Infektionsgefahr zu beseitigen.
◦ Der Biofilm ist jedoch oft chlorresistent [Conversation].
◦ Die Chlorung tötet zwar die freien Keime ab, beseitigt aber nicht die eigentliche Quelle (den Biofilm). Diese Vorgehensweise kann die tatsächliche Kontaminationsquelle daher maskieren [Conversation] und wird kritisch als Symptombehandlung ohne Ursachenbeseitigung bezeichnet.
3. Das Kommunikationsproblem:
◦ Die Existenz des Biofilms als unsichtbare Schleimschicht in den Leitungen ist den meisten Verbrauchern nicht bekannt, da das Wasser immer klar aus dem Hahn kommt.
◦ Die Tatsache, dass Biofilme die Realität in den Leitungen sind, wird den Verbrauchern in der Regel nicht routinemäßig erklärt, sondern erst im Zuge einer Krise genannt. Dies führt zur Verwirrung und erweckt den Eindruck des Verschweigens seitens der Versorger.
Zusätzlich zeigt sich in der Kommunikation mit dem Gesundheitswesen ein weiteres, kritisches Problem: die Passivität und Ineffizienz des Informationsflusses vom Gesundheitsamt zu den niedergelassenen Ärzten, wodurch die wahre Ausdehnung der gesundheitlichen Auswirkungen einer Kontamination unsichtbar bleibt.
Biofilm im Leitungswasser ist ein zentrales, oft unterschätztes Thema der Trinkwasserhygiene. Hier eine fachlich präzise, aber verständliche Zusammenfassung:
🧫 Was ist Biofilm?
Biofilm ist ein dünner, schleimiger Belag aus Mikroorganismen (Bakterien, Pilze, Algen) und ihren Stoffwechselprodukten, der sich auf allen Oberflächen bildet, die mit Wasser in Kontakt stehen – also auch auf der Innenseite von Wasserrohren, Armaturen und Duschköpfen.
Er besteht aus:
- organischen Stoffen aus dem Wasser
- Mikroorganismen (z. B. Pseudomonas aeruginosa, Legionella pneumophila, Mycobacterium avium)
- anorganischen Partikeln (z. B. Kalk, Eisen, Mangan)
- der sogenannten extrazellulären Matrix – ein klebriger Schutzfilm, den die Bakterien selbst bilden.
💧 Wie entsteht Biofilm?
Sobald Wasser nicht gleichmäßig fließt oder es Bereiche mit Stagnation, Nährstoffen oder Wärme gibt, siedeln sich Mikroorganismen an.
Die typischen Risikofaktoren:
- Lange Leitungswege oder selten genutzte Zapfstellen
- Temperaturen zwischen 25 und 50 °C (optimal für Legionellen)
- Kalk- oder Eisenablagerungen
- Totleitungen oder schlecht durchströmte Rohrabschnitte
⚠️ Warum ist Biofilm problematisch?
Biofilm ist kein „Schmutz“, sondern ein lebendes mikrobiologisches System, das:
- Krankheitserreger schützt (z. B. Legionellen, Pseudomonaden)
- Desinfektionsmaßnahmen (z. B. Chlorung) teilweise unwirksam macht
- Mikroorganismen ständig in die Wasserphase abgibt, was zu zeitlich schwankenden Messwerten führt.
Bei Wartungs- oder Umbauarbeiten kann sich der Biofilm lösen – dann treten kurzfristig hohe Keimzahlen auf.
🔍 Wie erkennt man Biofilm?
Er ist meist unsichtbar. Hinweise sind:
- Trübung oder schleimiger Belag an Duschköpfen oder Perlatoren
- metallischer oder muffiger Geschmack
- schwankende mikrobiologische Befunde bei Trinkwasseruntersuchungen
🧰 Was kann man dagegen tun?
1. Regelmäßige Nutzung und Spülung:
Alle Entnahmestellen regelmäßig öffnen (mind. 1× pro Woche).
2. Temperaturkontrolle:
Warmwasser > 55 °C, Kaltwasser < 25 °C.
3. Vermeidung von Totleitungen:
Unbenutzte Rohrabschnitte entfernen oder absperren.
4. Hygieneinspektion nach DVGW W 551 / W 557:
Regelmäßige mikrobiologische Prüfung, insbesondere bei Großanlagen.
5. Thermische oder chemische Desinfektion:
Bei Legionellenbefund ggf. temporär, aber langfristig nur wirksam, wenn Stagnation und Temperaturprobleme behoben werden.
🧬 Fazit
Biofilm ist unvermeidbar – aber kontrollierbar.
Er ist Teil jedes Wassersystems, wird aber erst gefährlich, wenn Bedingungen für Wachstum und Ablösung entstehen.
Ein gut gewartetes Leitungssystem bleibt mikrobiologisch stabil, auch wenn es Biofilm enthält.